"… der weiße Clävner scheint eine ächt französische Traubensorte zu sein, die in einer großen Zahl von Departements als Hauptsatz angebaut wird. Man sagt, dass die vorzüglichen Weine von Meursault und Montrachet von ihr herrühren, auch in der Champagne bildet sie den weißen Hauptanteil."
– Lambert von Babo, 1857
Eine Annahme: Unser Morillon ist eine eine natürliche Kreuzung aus Pinot Noir und Heunisch, der in Frankreich Gouais Blanc heißt. Kann sein, dass es die schon seit tausend Jahren gibt. Ob die missionierenden Mönche, die neben dem Christentum auch Weinkultur aus dem Burgund mitbrachten ist nicht bewiesen, aber auch nicht unwahrscheinlich.
1986, als der Chardonnay nach dem Weinskandal für die Herstellung von Qualitätswein zugelassen wird, glauben viele allerdings, er handle sich dabei um nichts anderes als einen weiteren Namen für Weißburgunder.
Allerdings fällt an den Blättern bald die nackte Stielbucht als Detail auf. Mit dieser Entdeckung gingen vor 40 Jahren Winzer zu ihrem Weißburgunder und siehe da – der Weissburgunder entpuppte sich als Chardonnay.
Jetzt die Elferfrage: Aber woher haben wir die französische Sorte?
Im Wein liegt Wahrheit. Von den Geschichten über Rebsorten war da nicht die Rede. Aber gerade die erfundenen Geschichten sind oft die spannenden – insbesondere wenn sie einen wahren Kern haben.
Damit zurück zu Erzherzog Johann, der für die Steiermark in vielen Wirtschaftszweigen vom Bergbau über Forst-und Landwirtschaft von großer Bedeutung war. 1822 läßt er nahe Maribor/Marburg ein Musterweingut errichten und pflanzt zahlreiche Rebsorten, darunter auch einige Rebsorten aus dem Ausland, um ihre Tauglichkeit für die steirischen Rieden zu untersuchen.
1854 waren es bereits 425 Sorten, darunter zweifellos auch weiße Sorten aus Frankreich wie Sauvignon Blanc und Chardonnay, die im Laufe der Zeit unter den Synonymen Muskat-Sylvaner und Morillon in der Steiermark verbreiteten.
Die bereits angesprochene k.k. Landwirtschaftsgesellschaft erkannte bald die Notwendigkeit, sich die im Land vorhandenen Rebsorten, von denen oft ein und dieselben unter einer Vielzahl von Namen bekannt war, zu katalogisieren. So wurde die Steiermark zur Vorreiterin der Ampelografie, anhand von komplexen Fragebögen wurden dem System von Linné folgend erste Aufstellungen gemacht.
Aber was ist mit dem Namen Morillon? Die schönste Geschichte: Es heißt, der Erzherzog wäre mit einer Gruppe nach Frankreich gereist, die von dieser Reise die Edelreiser mitgebracht hätten, aus einem Ort namens Morion, woraus sich dann der Name Morillon entwickelt hätte. Unter anderem deshalb, weil die Gruppe an manchen Tagen zu betrunken war, um sich den Namen der Rebsorte zu merken.
Das ist leider zu schön, um wahr zu sein.
Wahr ist wahrscheinlicher: Morillon als französisches Synonym für Rebsorten aus der Burgundergruppe. Der Blaue Burgunder hieß Morillon noir, Meunier war Morillon taconné, der frühe Klevner der Morillon hâtif. Aber keine Sorge: In den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts war selbst den Franzosen nicht völligklar, was genau was ist.
Ab 1835 beschreibt schließlich Franz Trummer, Gärtner des Musterhofs die Weingärten des Landes, und mit ihnen 121 Rebsorten im Detail. Unter den Rebsorten mit sehr kleinen Beeren nennt er bei den hellen den Weißen Burgunder sowie den Champagner, auch bei den dunklen nennt er einen Champagner, wer dabei sofort an Chardonnay und Pinot Noir denkt, wird vermutlich nicht falsch liegen.
Sechs Jahre später charakterisiert Dr. Hlubek die steirischen Rebsorten und nennt die weiße Burgunderrebe sowie die weiße Champagnerrebe, Chardonnay und Morillon finden sich bei ihm gar nicht. Trummer wiederum beschreibt im gleichen Jahr einen "echten weißen Burgunder", den er von einem führenden Ampelografen in Deutschland hat, der diesen als "petit blanc doré" wiederum aus der Champagne bekommen hat. Verwirrend genug?
Am Ende machen die Franzosen einen Strich unter die Geschichte. Fest steht: Die Rebsorte taucht als "Beaunois" erstmals in Schriften aus, als "Chardonnet" wird sie erstmalig 1685 bezeichnet. Die heutige Schreibweise dürfte sich von einem Dorf namens Chardonnay im Mâconnais ableiten und von den Römer Cardonnacum genannt wurde. Das wiederum heißt nichts anderes als "Ort der Disteln", die auf Französisch "chardon".
Case closed.
Eines vielleicht noch: Anlässlich der Weinbauausstellung 1872 in Lyon legt man offiziell den Ort als Namensgeber für Chardonnay fest. Das hat sich bedauerlicherweise nicht bis zu uns herumgesprochen und daher nennt man hier die Sorte weiterhin Morillon, im Glauben es handle sich um Weißburgunder.
Und so ist die Steiermark die einzige Weinregion der Welt mit zwei Namen für eine Rebsorte.
Santé.